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Brexit – a practical guide

von Susanna Heurung, Dr. Stefanie Parchmann, Elke Wurster und Matthias Görich

Inzwischen hat Großbritannien die EU verlassen. Bis zum 31. Dezember 2020 gilt noch eine Übergangsfrist, innerhalb derer Großbritannien wie ein Mitgliedstaat behandelt wird. Danach hat der Brexit teilweise einschneidende Auswirkungen. Wir sagen Ihnen, was Sie wissen müssen und was Sie tun können.

Was Sie wissen müssen:

Patente

Europäische Patente (EP): Der Brexit hat keinen unmittelbaren Effekt auf die Verfahren vor dem Europäischen Patentamt (EPA), denn Großbritannien bleibt Vertragsstaat des EPÜ. Erteilte EP-Patente bleiben in Kraft, Anmeldungen sind ebenfalls nicht betroffen. Vertreter mit Sitz in UK bleiben vertretungsberechtigt. Lediglich hinsichtlich der Vertretung vor dem UKIPO im Rahmen der Validierung in Großbritannien könnten sich eventuell in Zukunft Änderungen ergeben.

UK-Patente: Ebenfalls keine Auswirkungen hat der Brexit auf nationale Patente, die direkt beim UKIPO angemeldet werden.

Erschöpfung von Patenten: In Großbritannien gilt ein Patent derzeit als erschöpft, wenn ein geschütztes Produkt in irgendeinem Land, welches dem EWR angehört, mit Erlaubnis des Patentinhabers auf den Markt gebracht wird. Diese Regelung wird zumindest während der Übergangszeit beibehalten.

Umgekehrt gilt allerdings ab dem 1.1.2021, dass durch ein Inverkehrbringen in Großbritannien nicht länger eine Erschöpfung des patentrechtlichen Schutzes für die in der EU verbleibenden Ländern angenommen werden kann. Dies könnte z.B. Auswirkungen auf Parallelimporte von Medikamenten aus Großbritannien in die EU haben.

Ergänzende Schutzzertifikate (SPC)

Es ist davon auszugehen, dass Großbritannien die gesetzlichen Regelungen der EU zu SPCs, die längst in nationales Recht umgesetzt wurden, beibehalten wird.  Das gilt auch für pädiatrische Laufzeitverlängerungen. Allerdings ist zu erwarten, dass sich die britische Rechtsprechung zunehmend und nachhaltig hinsichtlich Fragen des Schutzbereichs aber auch der Erteilungsvoraussetzungen von der Rechtsprechung der in der EU verbleibenden Ländern entfernen und jeweils eigene Beurteilungsmaßstäbe und Grundsätze entwickeln wird.

Existierende EMEA-Zulassungen werden in UK-Zulassungen umgewandelt.

Marken und Geschmacksmuster

Aufgrund des Brexits entfalten EU Marken und Geschmacksmuster ab dem 1. Januar 2021 in Großbritannien keine Wirkung mehr. Die britische Regierung hat deshalb einen Mechanismus zur Verfügung gestellt, über den eingetragene EU Marken und Geschmacksmuster “geklont” werden. Das bedeutet, dass Inhaber solcher EU Rechte ab dem 1. Januar 2021 automatisch über eine zum dem EU Recht identische britische Marke bzw. ein identisches britisches Geschmacksmuster verfügen.

Diese geklonten Schutzrechte verleihen in Großbritannien denselben Schutz wie die bisherigen Schutzrechte in der EU, insbesondere bleibt das ursprüngliche, schutzbegründende Anmeldedatum erhalten. 

Datenschutz

Der Schutz personenbezogener Daten innerhalb der Europäischen Union richtet sich nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), in der die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten sowie der Übermittlung der Daten in Drittländer geregelt ist. Bis zum Ablauf der Übergangsfrist wird Großbritannien noch wie ein Mitgliedstatt behandelt, so dass sich für die Zulässigkeit der Übermittlung nach Großbritannien keine Änderungen im Vergleich zur aktuellen Situation ergeben. Anders sieht es nach diesem Zeitraum aus. Ab dem 1. Januar 2021 ist Großbritannien ein Drittland im Sinne der DSGVO. Damit ist eine Übermittlung personenbezogener Daten nach Großbritannien nur unter engen Voraussetzungen zulässig: Entweder muss die Europäische Kommission einen Beschluss über die Angemessenheit des Datenschutzniveaus in Großbritannien treffen oder es müssen geeignete Schutzgarantien vorgesehen werden, wie z.B. von der Kommission erlassene Standardschutzklauseln.

Kartellrecht

Besonders relevant sind im Kartellrecht neben Fragen der Fusionskontrolle diejenigen nach der Zulässigkeit von Unternehmenskooperationen, und zwar sowohl unter Wettbewerbern als auch im Vertikalverhältnis. Unter welchen Voraussetzungen solche Kooperationen zulässig sind, wird maßgeblich in den entsprechenden EU-Gruppenfreistellungs­verordnungen geregelt, in denen unzulässige Klauseln aber auch vom Kartellverbot nicht erfasste und damit zulässige Gestaltungen konkretisiert werden (z.B. für echte Handelsvertreterverhältnisse). Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen, dass die Gruppenfreistellungsverordnungen in britisches Recht überführt werden, so dass Unternehmenskooperationen unter denselben Voraussetzungen zulässig bleiben.

Compliance

Der UK Bribery Act verbietet und sanktioniert die aktive oder passive Bestechung in Großbritannien sowie (weltweit) die Bestechung ausländischer Amtsträger und verlangt eine ausreichende Bestechungsprävention, anderenfalls ist mit schwerwiegenden strafrechtlichen Konsequenzen sowohl für das Unternehmen als auch natürliche Personen zu rechnen. Dieses britische Anti-Korruptionsgesetz richtet sich nicht nur an Unternehmen, die ihren Sitz in Großbritannien haben, sondern ebenfalls an Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen nach Großbritannien. Der UK Bribery Act und seine Relevanz für nicht-britische Unternehmen ist unabhängig von einer Zugehörigkeit Großbritanniens zur EU; er ist somit auch nach einem Brexit uneingeschränkt von Personen und Unternehmen zu berücksichtigen, die in irgendeiner Geschäftsbeziehung nach Großbritannien stehen.

Vertretung vor dem UKIPO

Nach derzeitigen Stand werden Anwälte ohne Sitz in Großbritannien nicht nur während der Übergangszeit, sondern auch danach vor dem UKIPO (UK Intellectual Property Office) vertretungsberechtigt bleiben. Dies gilt auch für nationale Verfahren, also z.B. nationale UK Patente.

Arzneimittel

Vor Ende der Übergangsfrist dürften keine Änderungen zu erwarten sein, da das europäische Recht noch gilt bzw. als Basis übernommen wurde.

Nach Ende der Übergangsregelung ist allerdings zu erwarten, dass für beide Territorien (EU und UK) bestimmte Funktionen eigenständig abgebildet sein müssen, die bisher nur einmalig in der gesamten EU dargestellt werden mussten. Dies betrifft zum Beispiel den Zulassungsinhaber, QP, QPPV, freigebender Hersteller etc. Da damit gerechnet werden muss, dass die Übergangsregelung nicht ausgeweitet wird und nicht in ein ähnliches Regelungswerk Eingang findet, müssen diese Punkte bis dann implementiert und in die jeweiligen Zulassungen eingepflegt sein.

Da hiervon die Verkehrsfähigkeit der entsprechenden Produkte abhängt, sollten Sie unbedingt die entsprechenden Handlungsempfehlungen unten berücksichtigen.

Medizinprodukte

Auch hier dürften sich Änderungen erst nach der Übergangsfrist ergeben, da das europäische Recht vorerst als Basis übernommen wurde. Nach Ende der Übergangsregelung muss davon ausgegangen werden, dass für beide Territorien (EU und UK) bestimmte Funktionen eigenständig abgebildet sein müssen, die bisher nur einmalig in der gesamten EU dargestellt werden mussten. Dies betrifft die Benannte Stelle und den Hersteller.

Was Sie tun sollten:

Patente und SPCs

Es sind derzeit keine Maßnahmen erforderlich, außer in Einzelfällen, die die Erschöpfung betreffenden, oder falls die Regelungen zur Vertretung vor dem UKIPO doch zum 1.1.2021 geändert werden sollten.

Marken und Geschmacksmuster

Zum 31. Dezember 2020 bereits eingetragene EU Marken und Geschmacksmuster werden ohne Antrag automatisch geklont. Daher sollte man sicherstellen, dass für alle neuen Schutzrechte Vertreter bestellt sind, mit denen das britische Amt bei Bedarf Kontakt aufnehmen kann. Auch sollte sichergestellt sein, dass diese neuen Schutzrechte separat verlängert werden, da eine Verlängerung der EU Schutzrechte hierfür nicht ausreicht.

Zum Stichtag angemeldete, aber noch nicht eingetragene EU Marken und Geschmacksmuster werden nicht geklont. Inhaber solcher Rechte können aber innerhalb von neun Monaten eine neue Anmeldung in Großbritannien vornehmen und dabei beantragen, dass das schutzbegründende Anmeldedatum der EU Marke oder des EU Geschmacksmuster auch für das neue britische Schutzrecht gilt.

Datenschutz

Prüfen Sie, ob im Rahmen Ihrer unternehmerischen Tätigkeit personenbezogene Daten nach Großbritannien übermittelt werden. Ergänzen Sie in diesem Fall Ihr Verarbeitungsverzeichnis entsprechend und sorgen Sie für geeignete Schutzgarantien, sofern die Europäische Kommission keinen Angemessenheitsbeschluss trifft (womit zumindest kurzfristig nicht zu rechnen ist). Ggf. müssen Sie ihre Datenschutz-Folgenabschätzung überprüfen.

Kartellrecht

Behalten Sie die Rechtsentwicklung im Blick. Sollte die geplante Überführung der Gruppenfreistellungsverordnungen in nationales britisches Recht nicht erfolgen, müssten etwaige in den Anwendungsbereich dieser Gruppenfreistellungsverordnungen fallende Sachverhalte neu bewertet und ggf. neu gestaltet werden.

Compliance

Sofern Ihr Unternehmen Geschäftsbeziehungen nach Großbritannien pflegt, sollten Sie prüfen, ob Ihr Compliance-System den Vorgaben des UK Bribery Act entspricht.

Verträge

Überprüfen Sie wichtige Verträge darauf, ob sich Konsequenzen aus dem Brexit ergeben, etwa, weil als Geltungsgebiet die EU vereinbart wurde. Berücksichtigen Sie dies bei laufenden Vertragsverhandlungen.

Arzneimittel

Die oben angesprochenen Änderungen benötigen durch notwendige Variations Zeit, sodass, wenn Änderungen hier noch notwendig sein sollten, diese schnellstmöglich eingeleitet werden sollten. Bei Bedarf sollte die zuständige Behörde kontaktiert werden, um die fristgerechte Umsetzung sicherzustellen.

Bei dem freigebenden Hersteller ist zu beachten, dass vor Ende der Übergangsfrist freigegebene und importierte Ware in Übereinstimmung mit der Zulassung unbegrenzt verkehrsfähig ist. Dies gilt nicht, wenn vor Ende der Übergangsfrist freigegebene Ware erst nach dem Ende der Übergangsfrist z.B. von UK nach EU importiert werden soll. Diese Ware ist nicht verkehrsfähig, da der bisherige freigebende Hersteller ggf. auch Zulassungsinhaber (genannt in der Packungsbeilage) als solcher nicht mehr zulässig ist und durch einen in der EU ansässigen ersetzt sein muss. Dies muss zudem in den Zulassungsunterlagen implementiert sein! Um unnötige Komplikationen zu vermeiden, sollte in solchen Fällen die gesamte Charge bereits vor Ende der Übergangsfrist importieren werden, damit diese im Zielterritorium zum Ablauf der Übergangsfrist bereits im Verkehr ist.

Außerdem sollten Sie überprüfen, ob in Sachen Sunset Clause zusätzliche Aktivitäten notwendig werden.

Medizinprodukte

Die oben angesprochenen Änderungen bei der Benannten Stelle und dem Hersteller haben per se einen großen Vorlauf. Bedingt durch die anstehende MPV(MDR) und den Brexit ist der Pool der Benannten Stellen, die für das jeweilige Territorium zuständig sind, deutlich geschrumpft, sodass hier sehr zeitnahe Handlungsbedarf besteht. Auch die Meldeverpflichtungen sollten überprüft werden.

Die Beiträge im Maiwald-Blog stellen lediglich einen Überblick zu aktuellen rechtlichen Themen, Gesetzgebungsvorhaben sowie Rechtsprechung dar und dienen der allgemeinen Information und ersetzen keinesfalls eine konkrete Beratung im Einzelfall. Wenn Sie Fragen zu den hier angesprochenen oder anderen Themen und Rechtsgebieten haben, steht Ihnen Ihr persönlicher Ansprechpartner bei Maiwald oder der jeweils im Beitrag genannte Verfasser gerne jederzeit zur Verfügung.

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Autoren

Susanna Heurung

Partnerin

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz

Elke Wurster

Partner

Rechtsanwältin

Maîtrise en droit international

Zertifizierter Compliance Officer (Univ.)

Dr. Stefanie Parchmann

Partnerin

Patentanwältin

European Patent Attorney

Diplom-Chemikerin