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Reform des UWG 2022 – neue Schadensersatzansprüche für Verbraucher

Am 28. Mai 2022 ist das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes in Wettbewerbs- und Gewerberecht in Kraft getreten. Dieses setzt die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/2161 vom 27. November 2019 zur Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften und die hierdurch begründeten Änderungen der UGP-Richtlinie 2005/29/EG um.

Neben einer Ergänzung der Tatbestände der sog. schwarze Liste (Nr. 11a, 23a, 26 und 32 Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG) und einer neuen Systematik der §§ 5a und 5b UWG wurden u.a. Regelungen zu Informationspflichten bei Rankings (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 und § 5b Abs. 2) und Kundenbewertungen auf Bewertungs- und Vergleichsplattformen (§ 5b Abs. 3) aufgenommen, sowie Regelungen zur verdeckten Werbung und der Kennzeichnungspflicht von Influencern (§ 5a Abs. 4), die im Grunde der aktuellen Rechtsprechung des BGH entspricht (vgl. BGH, Urteile v. 09. September 2021, Az. I ZR 90/20 – Influencer I, Az. I ZR 125/20 – Influencer II, Az. I ZR 126/20 – Influencer III).

Die größte Änderung stellt die Einführung eines lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzanspruchs für Verbraucher dar. Diese standen bisher nur den Mitbewerbern zu. Der neue Schadensersatzanspruch soll sicherstellen, dass Verbraucher gegen unlauter handelnde Unternehmen auch dann einen Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn zwischen ihnen (noch) kein Vertragsverhältnis besteht. Abweichend vom bürgerlichen Recht greift dieser bereits bei fahrlässigen Handlungen des Unternehmers. § 9 Abs. 2 UWG erfordert jedoch einen doppelten Kausalitäts- und Zurechnungszusammenhang. Der Verbraucher muss zunächst durch eine unlautere Handlung zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst worden sein, die er anderenfalls nicht getroffen hätte, während der Schaden gerade durch die geschäftliche Entscheidung ausgelöst worden sein muss.

Der Schadensbegriff des § 9 Abs. 2 UWG ist umstritten. Nach der Gesetzesbegründung und einigen Stimmen in der Literatur ist der Anspruch „regelmäßig“ nur auf das negative Interesse gerichtet, so dass Verbraucher so zu stellen sind, als wäre die unlautere Handlung nicht vorgenommen worden und als wären sie nicht zu der geschäftlichen Handlung veranlasst worden. In der Gesetzesbegründung wird hinsichtlich des Inhalts und Umfangs insoweit ausdrücklich auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB (Naturalrestitution) verwiesen. Nach vielfach vertretener Lesart sind die konkret ersatzfähigen Schäden jedoch nicht auf das negative Interesse beschränkt.

Nach der Gesetzesbegründung besteht „freie Anspruchskonkurrenz zu den bereits bestehenden Ansprüchen des bürgerlichen Rechts“. Es handelt sich somit nach dem Willen des Gesetzgebers um einen zusätzlichen Schutz der Verbraucher, der neben den allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsbehelfen besteht. Damit ergibt sich zwar unter Umständen ein Spannungsfeld durch die Anspruchskonkurrenz zu den allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsbehelfen wie z.B. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 oder 812 und 826 sowie sonstigen Gestaltungsrechten des BGB, wie Anfechtungs- oder Rücktrittsrechten, die über eigene Voraussetzungen verfügen. Unter Berücksichtigung der Zielsetzung eines effektiven lauterkeitsrechtlichen Verbraucherschutzes sollten die Verbraucher jedoch frei wählen können, welche Ansprüche sie geltend machen möchten.

Welche Bedeutung der neue Schadensersatzanspruch für Verbraucher in der Praxis erlangen wird, bleibt abzuwarten und hängt insbesondere von der Handhabung der Gerichte ab, da beispielsweise der Verbraucher die Veranlassung zur geschäftlichen Entscheidung nachweisen muss. Insoweit werden bereits jetzt Beweiserleichterungen für die Verbraucher gefordert, um die praktische Wirksamkeit des neuen Schadensersatzanspruchs nicht „leerlaufen“ zu lassen.

Die Beiträge im Maiwald-Blog stellen lediglich einen Überblick zu aktuellen rechtlichen Themen, Gesetzgebungsvorhaben sowie Rechtsprechung dar und dienen der allgemeinen Information und ersetzen keinesfalls eine konkrete Beratung im Einzelfall. Wenn Sie Fragen zu den hier angesprochenen oder anderen Themen und Rechtsgebieten haben, steht Ihnen Ihr persönlicher Ansprechpartner bei Maiwald oder der jeweils im Beitrag genannte Verfasser gerne jederzeit zur Verfügung.

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Dr. Christian Meyer

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Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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