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Mögliche Vorlagefrage an die Große Beschwerdekammer zur Anwendbarkeit des “Joint Applicants Approach” (T 1513/17)

Für viele Verfahren vor dem EPA ist es von entscheidender Bedeutung, ob eine Euro-PCT-Anmeldung die Priorität einer früheren Anmeldung wirksam in Anspruch nimmt. Insbesondere können Zweifel an einer gültigen Inanspruchnahme einer Priorität aufkommen, wenn die Prioritätsanmeldung von einer Partei (A) eingereicht wird (z. B. eine vorläufige US-Anmeldung, die im Namen des/der Erfinder(s) eingereicht wird) und die spätere PCT-Anmeldung im alleinigen Namen einer weiteren Partei (B) zumindest für einige PCT-Länder eingereicht wird (z.B. einer juristischen Person als Anmelder für EP), während (A) als Anmelder für andere Länder im PCT-Antrag aufgeführt ist, ohne, dass das Prioritätsrecht vor dem Einreichen der PCT-Anmeldung für die betreffenden Länder ausdrücklich von (A) auf (B) übertragen wurde (vgl. z.B. T 577/11, T 1201/14).

Wird die Gültigkeit der Inanspruchnahme der Priorität angegriffen, begründen die Patentinhaber eine gültige Übertragung der Prioritätsrechte häufig mit dem sogenannten „Joint Applicants Approach“, der im Wesentlichen auf der Anwendung von Art. 11(3) PCT in Verbindung mit Art. 118, 153(2) EPÜ beruht. Demnach wäre ein PCT-Antrag als eine „Einheit“ zu betrachten, für die das Prioritätsrecht ─ aufgrund der Identität des Anmelders (A) für mindestens ein Land im PCT-Antrag ─ „automatisch“ auch in den übrigen PCT-Mitgliedsstaaten wie dem EPA wirksam übertragen wäre und beansprucht würde, für die nicht (A), sondern (B) als Anmelder genannt wurde.

Ob diese Konstellation die fehlende formelle Übertragung der Prioritätsrechte von (A) auf (B) vor Einreichen der PCT-Anmeldung zu heilen vermag, ist von den Beschwerdekammern unter Verweis auf die jeweiligen Begleitumstände der zugrunde liegenden Fälle noch nicht abschließend beantwortet worden (T 844/18, T 2431/17, T 407/15, T 205/14, T 1201/14). Allerdings haben die Einspruchs- und die Prüfungsabteilung des EPA zuletzt abweichende Antworten auf diese Frage gegeben und dabei häufig die Gültigkeit des Prioritätsanspruchs anerkannt.

Im vorausgegangenen Einspruchsverfahren zur vorliegenden Beschwerde T 1513/17 wurde die Anwendbarkeit des „Joint Applicants Approach“ nicht erörtert, sondern das erteilte europäische Patent EP 1 755 674 B1 im Hinblick auf zwei im Prioritätszeitraum veröffentlichte Dokumente widerrufen, die als Vorwegnahme des beanspruchten Gegenstands angesehen wurden.  In der Beschwerde berief sich die Patentinhaberin auf den „Joint Applicants Approach“.

Die Kammer in der Beschwerde T 1513/17 scheint nun der Ansicht zu sein, dass die Anwendbarkeit des „Joint Applicants Approach“ für den vorliegenden Fall entscheidend ist. Außerdem hat die Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Art. 15(1) RPBA vom 2. Februar 2021 darauf hingewiesen, dass der „Joint Applicants Approach“ eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sein kann und in der mündlichen Verhandlung erörtert werde, ob eine Vorlage an die Große Beschwerdekammer angemessen sei. In der mündlichen Verhandlung wurde von den Parteien zusätzlich angeregt, auch verwandte Fragenkomplexe zu klären, die in früheren Entscheidungen der Beschwerdekammern aufgeworfen, aber nicht abschließend entschieden worden waren (siehe z. B. T 844/18).

Die Kammer 3.3.04 gab am Ende der mündlichen Verhandlung keine Entscheidung über eine mögliche Verweisung an die Große Beschwerdekammer bekannt, sondern setzte das Verfahren schriftlich fort. Es erscheint jedoch wahrscheinlich, dass die Kammer Fragen im Zusammenhang mit dem „Joint Applicants Approach“ zur weiteren Klärung dieser Rechtsfrage an die Große Beschwerdekammer vorlegen wird.

Weitere Inforationen hierzu finden sich im Register unter https://register.epo.org/application?lng=de&number=EP05779924.

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Autoren

Dr. Matthias Hoffmann

Associate

Patentanwalt

M.Sc. Arzneimittelwissenschaften