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Europäisches Parlament unterstützt die Verwendung mancher durch Neue Genomische Techniken (NGT) hergestellter Pflanzen, fordert aber Verbot von Patenten auf jegliche NGT-Pflanzen

In einer am 7. Februar 2024 gehaltenen Abstimmung hat das Europäische Parlament (EP) mit 307 zu 263 Stimmen bei 41 Enthaltungen einem Vorschlag zugestimmt, der vorsieht:

  1. zwischen zwei verschiedenen Kategorien von Pflanzen, die durch Geneditierung oder Neue Genomische Techniken (NGT), einschließlich CRISPR/Cas, hergestellt wurden, zu unterscheiden, wobei NGT1-Pflanzen von den strengen Anforderungen der GVO-Gesetzgebung ausgenommen wären, und
  2. jegliche Patentierung von NGT-Pflanzen, Pflanzenmaterial und Teilen davon sowie von genetischer Information und den darin enthaltenen Verfahrensmerkmalen zu verbieten, unabhängig davon welcher der zwei neuen Kategorien die Pflanze angehört.

Der Vorschlag sieht zwei separate Wege vor, auf denen NGT-Pflanzen auf den Market gebracht werden können:

Der Europäischen Kommission zufolge verfolgt der am 5. Juli 2023 angenommene Vorschlag nicht nur das Ziel, ein hohes Gesundheits- und Umweltschutzniveau aufrechtzuerhalten, sondern auch die Entwicklung im Hinblick auf einen Beitrag zu Nachhaltigkeitszielen in einer Vielzahl von Pflanzenarten, insbesondere für das Agrar- und Lebensmittelsystem, zu steuern und günstigere Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation, insbesondere für KMU, zu schaffen.

Im krassen Gegensatz dazu würde der Vorschlag durch eine im parlamentarischen Verfahren vom Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) des Europäischen Parlaments eingebrachte Abänderung nun auch ein vollständiges Verbot von Patenten „auf jegliche NGT-Pflanzen, jegliches Pflanzenmaterial und Teile davon sowie auf genetische Informationen und die darin enthaltenen Verfahrensmerkmale“ etablieren, unabhängig davon, zu welcher der beiden neuen Kategorien die betreffenden NGT-Pflanzen gehören. Die Abänderung schlägt außerdem vor, die Biotechnologie-Richtlinie 98/44/EG entsprechend zu ändern und die Mitglieder des EP haben bis Juni 2025 einen Bericht über die Auswirkungen von Patenten auf den Zugang von Züchtern und Landwirten zu vielfältigem Pflanzenvermehrungsmaterial sowie einen Gesetzgebungsvorschlag für eine entsprechende Anpassung der EU-Vorschriften über die Rechte des geistigen Eigentums gefordert. Laut einer Pressemitteilung des EP sollen mit der Änderung „Rechtsunsicherheiten, erhöhte Kosten und neue Abhängigkeiten für Landwirte und Züchter vermieden werden“. Ein vollständiges Verbot von Patentschutz für NGT-Pflanzen in der Europäischen Union könnte jedoch europäische Unternehmen davon abhalten, in die Entwicklung von NGT-Anlagen zu investieren, da sie sich nicht auf einen Exklusivitätszeitraum, in dem sie ihre erheblichen Entwicklungskosten amortisieren könnten, verlassen könnten. Entsprechende Kritik wurde unter anderem von Garlich von Essen, Generalsekretär des Saatgutindustrieverbandes Euroseeds, in Science Business und von epi, dem Institut der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter, geäußert.

Insbesondere steht ein Verbot der Patentierung jeglicher NGT-Pflanzen auch in direktem Widerspruch zum Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) sowie zur aktuellen Praxis und ständigen Rechtsprechung des Europäischen Patentamts (EPA), die beide unabhängig von der Europäischen Union arbeiten. In der Entscheidung G3/19 (“Pepper”) hat die Große Beschwerdekammer des EPA etabliert, dass zwar die Patentierung von Pflanzen, die „ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren“ auf der Grundlage geschlechtlicher Kreuzung und Selektion gewonnen wurden, unzulässig ist, dass aber Pflanzen, die durch ein technisches Verfahren erzeugt wurden, das die genetischen Eigenschaften der Pflanze verändert, was NGT miteinschließt, in Europa patentierbar sind (wie in den Richtlinien für die Prüfung im EPA dargelegt).

Die Beiträge im Maiwald-Blog stellen lediglich einen Überblick zu aktuellen rechtlichen Themen, Gesetzgebungsvorhaben sowie Rechtsprechung dar und dienen der allgemeinen Information und ersetzen keinesfalls eine konkrete Beratung im Einzelfall. Wenn Sie Fragen zu den hier angesprochenen oder anderen Themen und Rechtsgebieten haben, steht Ihnen Ihr persönlicher Ansprechpartner bei Maiwald oder der jeweils im Beitrag genannte Verfasser gerne jederzeit zur Verfügung.

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Autoren

Dr. Kerstin Wolff

Senior Associate

Patentanwältin

European Patent Attorney

EPG-Vertreterin

Ph.D. Molekular Biologie und Mikrobiologie