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COVID-19: Pharma- und Medizinprodukteherstellung, Life Sciences: Vertragspflichten, Vertragsänderungen und -kündigungen

Im Bereich der Pharma- und Medizinprodukteherstellung wurden in den vergangenen Jahren vermehrt Verträge mit Biotechunternehmen und CROs (Contract Research Organisation oder Clinical Research Organisations) abgeschlossen, die sich auf Vorleistungen im Bereich der Produktion, aber auch auf die Produktion selbst beziehen.

Zum Schutz vor der COVID-19 Pandemie haben viele Unternehmen die Anwesenheit der Mitarbeiter zeitlich beschränkt. Aufgrund der hierdurch bedingten Verringerung von Produktionskapazitäten, gerade bei mittelständischen Unternehmen, stellt sich die Frage, ob sich diese Contract Manufacturer, Service Provider und Supplier auf außergewöhnliche Umstände berufen und Liefer- und Leistungsverzögerungen rechtfertigen können.

Neben contract manufacturing und service provision kann auch die externe Durchführung von research and development von veränderten Abläufen betroffen sein. Zunächst ist zu prüfen, ob und falls ja, welches anwendbare Recht in dem Vertrag vereinbart wurde. Sodann ist die Klausel zu Lieferfristen und/oder Regelungen zu Meilensteilen, oder auch eine sog. time is of essence Regelung im Vertrag oder im Annex, heranzuziehen und auf ihre Wirksamkeit zu prüfen.

Ist im Vertrag eine sog. Force-Majeure-Klausel vereinbart, wird man diese nachfolgend in Erwägung ziehen und deren Wirksamkeit prüfen müssen, um festzustellen, ob eine Leistungsbefreiung folgen kann.

Sofern keine Force-Majeure-Klausel vorliegt, kann eine Unmöglichkeit oder eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen, welche eine Vertragsanpassung oder – sollte dies nicht möglich sein – eine Vertragsaufhebung ermöglicht.

Unterliegt der Vertrag deutschem Recht, gelten insbesondere § 275 BGB (Unmöglichkeit) und § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) und es stellen sich in diesem Kontext konkret die Fragen nach:

Unterfällt der Vertrag auf Grund der Regelung des anwendbaren Rechts einer common law Jurisdiktion ist es notwendig, neben einer bestehenden force majeure Regelung zu prüfen, ob Kausalität zwischen der Coronakrise und der gestörten Erfüllung der Leistungspflicht besteht und inwieweit die Partei, welche sich auf die Unmöglichkeit oder Störung der Leistungspflicht beruft, die Pflicht hat, die Auswirkungen so zu minimieren, dass eine Leistung dennoch, und ggf. verzögert, möglich ist. In einem Supply Agreement oder Service Agreement sind eher verbindliche Regelungen zu konkreten Leistungspflichten und damit verbundenen Haftungen zu finden als in Forschungs- und Entwicklungsverträgen.

Im Interesse einer weiteren Leistungserfüllung wird es sich in der Regel anstelle einer Auseinandersetzung anbieten, zu versuchen, mittels Vertragsanpassungen Kompromisse zu finden, die der geänderten Situation sowie den Interessen beider Parteien gerecht werden. Zugleich ist es wichtig, Veränderungen in Bezug auf die Erbringung der beidseitigen Leistungen tatsächlich als schriftliche, rechtlich bindende Änderungsverträge zu vereinbaren, umso mehr, als die meisten Verträge Schriftformklauseln enthalten, die die Wirksamkeit mündlicher Absprachen mindestens in Frage stellen.

Auswirkungen können sich auch auf die vertraglichen Regelungen zur Einhaltung von regulatorischen Vorschriften oder sogenannten changes to law Klauseln ergeben. Sehen die entsprechenden Klauseln vor, dass alle anwendbaren Regelungen einzuhalten sind, ist in der Regel davon auszugehen, dass dies trotz der Coronakrise auch weiterhin gilt. Abweichungen von bestimmten, fest vereinbarten regulatorischen Vorgaben sind in der Regel nur dann zulässig, wenn entsprechende Verordnungen oder Erlasse vorliegen. Diesbezüglich wurden bereits Änderungen der Gesetzgebung bewirkt. Das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, BT-Drs. 19/18111, sieht weitreichende Kompetenzänderungen und Eingriffsbefugnisse der Regierung in Bezug auf das Arzneimittelgesetz, Auswirkungen auf Herstellung und Lieferungen von Medizinprodukten, Diagnostika, Schutzausrüstungen, Arzneimitteln und Betäubungsmitteln, pharmazeutischen Wirkstoffen und Hilfsstoffen vor und ist sowohl für Arzneimittelhersteller, als auch für Hersteller von Rohstoffen sowie Hilfsprodukten und Dienstleistungen relevant. Wir werden Sie in Kürze zu dieser Thematik informieren.

Die Beiträge im Maiwald-Blog stellen lediglich einen Überblick zu aktuellen rechtlichen Themen, Gesetzgebungsvorhaben sowie Rechtsprechung dar und dienen der allgemeinen Information und ersetzen keinesfalls eine konkrete Beratung im Einzelfall. Wenn Sie Fragen zu den hier angesprochenen oder anderen Themen und Rechtsgebieten haben, steht Ihnen Ihr persönlicher Ansprechpartner bei Maiwald oder der jeweils im Beitrag genannte Verfasser gerne jederzeit zur Verfügung.

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Autoren

Dr. Gisela Grabow

Counsel

Lawyer (England/Wales)