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BGH: Aktuelle Entscheidungen zur Unterlassungserklärung nach „Hamburger Brauch“–Teil 1

Mit Urteil vom 27. Oktober 2022 (Az. I ZR 141/21) hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass die regelmäßige Verjährungsfrist bei einem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach dem sog. „Hamburger Brauch“ erst beginnt, wenn der Gläubiger die vom Schuldner verwirkte Vertragsstrafe in seiner konkreten Höhe festgelegt hat und der Vertragsstrafeanspruch damit fällig geworden ist.

Einführung

Durch ein außergerichtliches Abmahnschreiben wird dem Schuldner in Streitigkeiten in Bezug auf gewerbliche Schutzrechte die Möglichkeit gegeben, ein Gerichtsverfahren zu vermeiden, durch Unterzeichnung einer sogenannten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. Ein solches Unterlassungsversprechen des Schuldners beseitigt die Wiederholungsgefahr jedoch nur dann, wenn es vertragsstrafenbewehrt ist. Dies kann entweder mittels eines feststehenden Betrages vereinbart werden (sog. bezifferte Vertragsstrafe) oder derart, dass der Gläubiger die Höhe der Vertragsstrafe im Falle einer Zuwiderhandlung gegenüber dem Schuldner formlos durch einseitige empfangsbedürfte Erklärung nach billigem Ermessen bestimmt (sog. „Hamburger Brauch“). Diese Bestimmung im Einzelfall kann nach § 315 Abs. 3 BGB durch ein Gericht überprüft werden.

Die Vorteile eines Vertragsstrafenversprechens nach „Hamburger Brauch“ liegen auf der Hand: Statt einer vorher festgelegten Vertragsstrafe ermöglicht der „Hamburger Brauch“, eine bessere Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, sodass ein schwerwiegender Verstoß eine höhere Vertragsstrafe zur Folge hat als eine gegebenenfalls nur leicht fahrlässig begangene Zuwiderhandlung. Zur Vermeidung einer Unsicherheit über die Höhe einer möglicherweise zu zahlenden Vertragsstrafe kann sowohl ein Mindestbetrag als auch ein Höchstbetrag vereinbart werden, wobei der Höchstbetrag nach der Rechtsprechung deutlich höher ausfallen muss als ein angemessener fester Betrag (idR ungefähr doppelt so hoch). Für die Vereinbarung einer festen Vertragsstrafe spricht hingegen, das Risiko des Gläubigers, im Falle der Klage einen Teil der Kosten tragen zu müssen, sollte die von ihm verlangte Vertragsstrafe nach „Hamburg Brauch“ zu hoch festgesetzt sein.

Sachverhalt

Im zugrundeliegenden urheberrechtlichen Fall hat der Beklagte ohne Erlaubnis ein vom Kläger gefertigtes Foto für ein Verkaufsangebot auf eBay verwendet. Der Beklagte hat nach einer Berechtigungsanfrage des Klägers zunächst am 19. Juni 2013 eine Unterlassungserklärung abgegeben, bei der die bei Zuwiderhandlung fällige Geldstrafe im Streitfall noch bestimmt werden sollte (Hamburger Brauch), das Foto blieb dennoch bis Mai 2014 auf eBay abrufbar. Mit Einschreiben vom 22. Dezember 2016 forderte der Kläger den Beklagten daher zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.600 Euro auf. Der Beklagte verweigerte die Annahme des Schreibens und reagierte auch auf nachfolgende schriftliche Zahlungsaufforderungen nicht. Daraufhin erhob der Kläger am 23. Dezember 2019 Klage zum Amtsgericht auf Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.250 Euro sowie außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, die dem Beklagten am 23. Januar 2020 zugestellt wurde.

Weil die Klage erst 2020 rechtshängig wurde, berief sich der Beklagte auf Verjährung mit der Begründung, dass die dreijährige Verjährungsfrist nach §§ 199 BGB wegen der Verletzung im Jahr 2014 bereits abgelaufen, der Anspruch also verjährt sei.

Entscheidung

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Dem widersprach der BGH in letzter Instanz: Maßgeblich für den Beginn der Verjährung sei nämlich die Fälligkeit des Anspruchs (also hier der Vertragsstrafe). Die Fälligkeit liege aber erst dann vor, wenn eine hinreichend konkret geschuldete Leistung vorliege. Eine solche bestand aber wegen des Vertragsstrafeversprechens nach Hamburger Brauch erst mit der Bestimmung der konkreten Vertragsstrafe 2016 und nicht schon davor. Erst ab diesem Zeitpunkt könne der Gläubiger gemäß § 271 BGB die Leistung verlangen und nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung durch Klageerhebung hemmen.

Die Verjährung begann danach gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit Ablauf des Jahres 2016. Der Schuldner komme dadurch auch nicht in eine unzumutbare Schwebelage, weil er bei Bedarf nach Klarheit nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine Klage auf Leistungsbestimmung durch das Gericht erheben kann und damit selbst die Möglichkeit hat die Fälligkeit und damit den Beginn der Verjährung herbeizuführen.

Somit lief die Verjährungsfrist nicht mit Ablauf des Jahres 2017, sondern frühestens mit dem Schluss des Jahres 2019 ab. Infolge der Klageerhebung sei die Verjährungsfrist auch gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden und die Einrede der Verjährung könne dem Anspruch nicht entgegengehalten werden.

Fazit

Mit dieser Entscheidung hat der BGH hinsichtlich der bisher streitigen Frage klargestellt, dass die Fälligkeit des Anspruchs und damit der Verjährungsbeginn erst mit der konkreten Festsetzung der Vertragsstrafe begründet werden. Dies dürfte die Anwendung des Hamburger Brauchs künftig noch attraktiver für Rechteinhaber machen.

Die Beiträge im Maiwald-Blog stellen lediglich einen Überblick zu aktuellen rechtlichen Themen, Gesetzgebungsvorhaben sowie Rechtsprechung dar und dienen der allgemeinen Information und ersetzen keinesfalls eine konkrete Beratung im Einzelfall. Wenn Sie Fragen zu den hier angesprochenen oder anderen Themen und Rechtsgebieten haben, steht Ihnen Ihr persönlicher Ansprechpartner bei Maiwald oder der jeweils im Beitrag genannte Verfasser gerne jederzeit zur Verfügung.

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Dr. Christian Meyer

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Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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