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Keine Unterbrechung von Verwirkungs­fristen bei nachlässiger Rechtsverfolgung

In einem Urteil hat der EuGH nun klargestellt, unter welchen Voraussetzungen eine Abmahnung Verwir­kungsfristen hemmen kann (EuGH GRUR 2022, 986 – HEITEC.). Nach dem EuGH soll dies nur der Fall sein bei solchen Klagen und Abmahnungen, die auf die Herbeiführung einer rechtsverbindlichen Lösung gerichtet sind und mit der gebote­nen Sorgfalt umgesetzt wurden.

Hintergrund des Urteils

Ausschlaggebend für das Urteil war ein Rechtsstreit zwischen der HEITEC AG als Klägerin und der HEITECH Promotion GmbH als Beklagte, wobei die HEITEC AG als Inhaberin der älteren Marke von der HEITECH Promotion GmbH die Unterlassung der Verwendung des Unternehmenskennzeichens HEITECH Promotion GmbH und der Benutzung von Marken mit dem Wortbestandteil „heitech“ verlangte. Da­bei ließ sich die HEITEC AG nach erfolgloser Abmahnung ganze dreieinhalb Jahre für eine Klageerhebung Zeit, wobei die Klage der Beklagten dann auch noch wegen diverser Formfehler erst anderthalb Jahre nach Klageeinreichung zugestellt und damit rechtshängig wurde. Das Verfahren ging bis zum BGH, für den es zu klären galt, ob sich die HEITEC AG eine Verwirkung gem. § 21 I, II MarkenG entgegenhalten lassen müsse, da sie die jüngere Marke trotz Kenntnis über fünf Jahre hinweg geduldet hatte. Entscheidend war also, welche Anforderungen an Maßnahmen zu stellen sind, die eine solche Duldung und damit eine Verwirkung von Ansprüchen unterbrechen können. Diese Frage wurde dem EuGH vorgelegt.

Entscheidung des EuGH

In seinem Urteil stellte der EuGH klar, dass nur solche Handlungen eine verwirkungsbegründende Duldung beenden können, bei denen der ernsthafte Wille, die Verletzung zu beenden, deutlich hervor­tritt. Dies sei generell bei Einlegung eines behördlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs der Fall. Der Ernsthaftigkeit fehle es aber auch hier ausnahmsweise, wenn die Einlegung eines solchen Rechtsbe­helfs fehlerbehaftet ist und diese Fehler nicht zeitnah korrigiert werden.

Auch eine Abmahnung könne die Duldung beenden. Bleibt die Abmahnung jedoch erfolglos, fehle es auch hier an der hinreichenden Ernsthaftigkeit, wenn sodann nicht zeitnah weitere mögliche Maßnahmen zur Abhilfe der Rechtsverletzung ergriffen werden.

Fazit

Zukünftig werden nur noch solche zeitnahe (und in ordentlicher Form) erfolgte Maßnahmen eine Duldung beenden können, an deren Ernsthaftigkeit keine Zweifel bestehen. Bleibt eine Abmahnung erfolglos, müssen zeitnah weitere Handlungen folgen, wobei der EuGH konkret nur dazu Stellung nimmt, dass jedenfalls die Einlegung eines behördlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs ausreicht. Es empfiehlt sich daher nach erfolglosen Verstreichen einer in der Abmahnung gesetzten Frist zeitnah Klage einzureichen, um die Ernsthaftigkeit zu signalisieren und eine Verwirkung zu verhindern. Das wiederholte Versenden von Abmahnung ohne je weitere Schritte zu ergreifen, wenn die in den Abmahnungen gesetzten Fristen verstreichen, hilft da nicht. Eine Klageeinreichung muss wiederum geeignet sein, den Anschein einer Duldung zu beenden. So sollte der Kläger alles tun, um für eine zeitnahe Zustellung an den Beklagten zu sorgen. Die bloße Klageeinreichung zum Schein für ein Hinauszögern der Frist ohne Beachtung der formalen Voraussetzungen oder jedenfalls ohne umgehender Korrektur von Fehlern werden nach diesem Urteil keine Beendigung der Duldung mehr bewirken können.

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Autoren

Susanna Heurung

Partnerin

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz