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EPA: Patentanmeldungen für künstliche Intelligenz und augmented reality – Erfordernis der ausreichenden Offenbarung

Die Wechselwirkung von Daten und Befehlen ist in der Informatik von fundamentaler Bedeutung. Nicht ohne Grund haben daher zwei Entscheidungen der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes an dieser Schnittstelle angesetzt: T 0677/17 und T 0161/18.

Beim Europäischen Patentamt scheint sich ein allgemeiner Trend abzuzeichnen, in der Art, dass bei informationstechnischen Technologiefeldern anstelle der allgemeinen Frage der Technizität vermehrt das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung entscheidungsrelevant wird.

Für die Entscheidung T 0677/17 war das technische Gebiet der zugrundeliegenden Patentanmeldung die Bilddatenverarbeitung im Zuge von erweiterter Realität – augmented reality. Dabei werden reale Rauminformationen mit virtuellen Bildinformationen verknüpft.

Die Kammer monierte, dass die Patentanmeldung keine ausreichenden Erläuterungen des Bildverarbeitungsverfahrens enthält. Die Kammer argumentierte, dass insbesondere die konkret durchgeführte Bilddatenverarbeitung des realen Raumbildes offengelassen wird, und auch bei der ebenfalls beanspruchten Objekterkennung keine Angaben über die programmtechnische durchzuführende Datenverarbeitung der Informationen über die Eigenschaften des zu erkennenden Objektes offenbart sind.

Die mangelnde Beschreibung der Interaktion von auszuführenden Algorithmen mit den Datenstrukturen führte auch in der T 0161/18 zur Bestätigung der Zurückweisung der Patentanmeldung, welche die Transformation einer gemessenen Blutdruckkurve mit Hilfe eines künstlichen neuronalen Netzes betrag, dessen Gewichtungswerte durch Lernen bestimmt werden.

Für die Entscheidung T 0161/18 argumentierte die Kammer, dass bezüglich des Trainings der erfindungsgemäßen künstlichen Intelligenz die Anmeldung nicht offenbart, welche Eingabedaten zum Trainieren des erfindungsgemäßen künstlichen neuronalen Netzes geeignet sind. Daher war die Kammer der Ansicht, dass die beanspruchte Erfindung vom Fachmann nicht nachgearbeitet werden kann und infolgedessen der Fachmann die Erfindung nicht ausführen kann.

Zusammenfassend scheint es bei Patentanmeldungen für die moderne Informationstechnik – sei es künstliche Intelligenz oder die erweiterte Realität – entscheidend zu sein, die Anforderung der hinreichend verständlichen Darlegung der technischen Lehre zu erfüllen. Die formulierte Offenbarung der Erfindung muss den Fokus auf das Zusammenspiel von einzelnen Programmschritten mit den jeweiligen Ein- und Ausgabedaten legen.

Daher sollten Patenanwälte bei der Formulierung von Patentanmeldungen und -ansprüchen im Bereich der Informationsdatenverarbeitung für jeden einzelnen offenbarten Programschritt darlegen, wie Eingangsdaten durch Datenverarbeitungsprozesse zu Ausgangsdaten verarbeitet werden.

Die Beiträge im Maiwald-Blog stellen lediglich einen Überblick zu aktuellen rechtlichen Themen, Gesetzgebungsvorhaben sowie Rechtsprechung dar und dienen der allgemeinen Information und ersetzen keinesfalls eine konkrete Beratung im Einzelfall. Wenn Sie Fragen zu den hier angesprochenen oder anderen Themen und Rechtsgebieten haben, steht Ihnen Ihr persönlicher Ansprechpartner bei Maiwald oder der jeweils im Beitrag genannte Verfasser gerne jederzeit zur Verfügung.

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Autoren

Dr. Simon Lud

Partner

Patentanwalt

European Patent Attorney

Diplom-Physiker